Vor ein paar Tagen verurteilte eine Einzelrichterin am Bezirksgericht Zürich einen FaceBook-User, weil er einen ehrverletzenden Post eines anderen Users gelikt hatte. Der Ursprungspost hatte einen Tierschutzaktivisten als „Rassisten“, „Antisemiten“ und „Faschisten“ bezeichnet, und der Beschuldigte likte diesen Post und teilte ihn mit anderen. Tatsächlich war der Aktivist vor knapp 20 Jahren einmal wegen entsprechender Äusserungen verurteilt worden.
Das Gericht befand in Anwendung von Art. 173 StGB, jemanden auf FaceBook als „Rassisten“ etc. zu bezeichnen erfülle den Tatbestand der üblen Nachrede, wenn die entsprechende Verurteilung knapp 20 Jahre zurückliege und in der Zwischenzeit nichts Neues vorgefallen sei, das diese Bezeichnung rechtfertige. Der Beschuldigte konnte nicht nur nicht beweisen, „dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten“ (was nach Art. 173 Ziff. 2 StGB zur Straffreiheit geführt hätte). Im Gegenteil, er bekräftigte an der Hauptverhandlung gemäss den Medienberichten, dass er den Tierschutzaktivisten für einen „Rassisten“ etc. hält und man dies auch sagen dürfen sollte.
Einige Medien fragten nun, ob man künftig wohl mit Strafe rechnen müsse, wenn man einen Post eines anderen Users like. Die Antwort darauf ist: Tatsächlich kann das wie im vorliegenden Fall (in dem das Urteil nicht rechtskräftig ist, sondern gemäss Medien an die nächste Instanz weitergezogen wird) geschehen, aber es kommt eben wie so oft auf den Vorsatz der beschuldigten Person an. Die Ehrverletzungsdelikte sind allesamt Vorsatzdelikte, d.h. der Täter oder die Täterin muss die verletzende Äusserung bzw. den Rufschaden wollen oder doch zumindest in Kauf nehmen. Und hier liegt der springende Punkt: Im vorliegenden Fall bekräftigte der Beschuldigte offenbar an der Hauptverhandlung seine Haltung und gab damit implizit zu, dass er durch sein Like und das Weiterverbreiten den Ruf des Tierschutzaktivisten schädigen wollte.
Ob bei jedem Like eines ehrverletzenden Posts jedesmal der Vorsatz zur Rufschädigung zu bejahen ist, dürfte aber nicht zum vornherein klar sein. Vielmehr gibt es sehr unterschiedliche Motive, einen Post zu liken – ein bejahendes Like im Sinne einer Zustimmung ist lediglich eine Möglichkeit. Denkbar wäre durchaus, dass jemand damit einen Hinweis auf eine diskutable (will heissen: zu diskutierende) Meinungsäusserung geben will, ohne sich mit der Aussage selbst zu identifizieren. Dies zu beweisen, ist dann anschliessend Aufgabe der Staatsanwaltschaft, welche bei einer Anklage oder einem Strafbefehl wenigstens den Eventualvorsatz dartun muss. Ob das immer gelingen wird, ist fraglich.
Als Lehre aus dieser Sache – sofern denn die Verurteilung rechtskräftig werden sollte – bleibt der Hinweis, dass das Weiterverbreiten und Gutheissen einer Ehrverletzung durchaus auch an einem User hängenbleiben kann, der die ehrverletztende Äusserung gar nicht selbst verfasst hat, ihre Aussage bzw. ihre Wirkung aber befürwortet.
Comments